Unsere Filmkritik: „Jeune femme“ von Léonor Serraille

Jeune femme: Eine verlorene junge Frau, der wir nicht immer folgen können.

Das Spielfilmdebut von Léonor Serraille ist eine Art Portraitbild. Es beginnt mit einem Tobsuchtsanfall, den Paula (Laetitia Dosch) an einer verschlossenen Tür auslässt, danach folgt eine lange Rede über die Liebe und die Einsamkeit. Paula hat nichts mehr. Nach der Trennung von einem reichen Fotografen, mit dem sie 10 Jahre lang zusammenlebte, wagt sie einen Neuanfang.

Am Anfang ist schwer zu erkennen, wohin uns Léonor Serraille führen will. Ich glaube sogar, dass ich gar keine Lust darauf hatte, dieser jungen und viel zu egozentrischen und launenhaften Frau zu folgen. Sie macht einen Schritt nach vorn in die Realität und drei Schritte zurück ins Unlogische. Zumindest war dies der Eindruck, den diese Figur auf mich machte, die von einem Schlamassel in den nächsten gerät und absolut nichts unternimmt, um mit ihrem Leben klarzukommen. Bei ihrer viel zu extravaganten Art, mit der sie ihre Hilflosigkeit verbirgt und Beleidigungen austeilt, konnte ich ihr nicht mehr folgen. Man versteht ja, dass Paula nicht in eine Schublade gesteckt werden kann und will … Ja und?

Dann habe ich mich einfach darauf eingelassen. Mir wurde langsam klar, dass dies eine Komödie war, dass Paulas Kapriolen nicht unbedingt mit der Realität verbunden waren. Trotzdem vermitteln sie eine Botschaft. Sie sind das Abbild einer Kastengesellschaft, noch dazu in einer Stadt, die keine Geschenke verteilt: Paris. Paula wird freundlicher, sie redet mit unbekannten Menschen, entwirrt ihre Welt und erfindet sich nach ihrem abrupten sozialen Abstieg ein ganz neues Leben. Die Kamera begleitet uns auf sehr leichtfüßige Art und Weise und bleibt der vollkommen instabilen Hauptfigur subtil auf der Spur. Diese Momente erleben wir mit ihr, sie wird förmlich von der Kamera durchbohrt. Der Film erhielt in Cannes 2017 übrigens die Goldene Kamera. Letztendlich fühlte ich mich ziemlich wohl mit dieser freien Figur, die das Leben in vollen Zügen neu erlernt. Auch wenn ihre Allüren zunächst etwas Peinliches hatten, so waren sie am Ende doch ziemlich komisch.

Diese Freiheit tut gut. Die Überbeanspruchung des freien Wortes funktioniert jedoch nicht immer.

Okay, „Junge Dame“, ich steck‘ dich nicht in eine Schublade, versprochen.

Quentin Duforeau

Mehr zum selben Thema:

Bulles de culture : “Le long métrage Jeune femme s’ouvre par le spectacle de Paula, une trentenaire hurlante et hystérique” – Article complet